Musizieren nach Gehör

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Man kann auch ohne Noten, ohne Griffschrift, also notenfrei, gute Musik machen

Musik spielen kann man nicht nur nach Noten, wie es alle Musikschulen lehren, sondern auch notenfrei, etwa nach Gehör, nach Vorspielen und Nachspielen (Abschauen), nach dazu probieren oder auch nach Nachmachen. Das gilt nicht nur für die Steirische, es gilt für jedes Instrument, für jedes Stück, für jedes Lied.

Auswendig spielen

Viele Musikanten spielen gern auswendig oder würden das zumindest gern tun. Das hat viele Vorteile:

Man muss nicht in vielen Noten blättern, sondern man spielt gleich los.

Man kann auch spielen, wenn man die Noten vergessen hat oder nicht findet.

Man kann vielleicht genau das spielen, was die Zuhörer wünschen.

Man kann Tänzer oder Zuhörer beobachten, auf sie reagieren.

Man kann auch auf die Mitmusikanten besser reagieren, die Musik wird dadurch besser.

Man zeigt durch sein Auswendigspiel, wie gut man ist, dass man wirklich musizieren kann.

Vor allem: Die Musik wirkt automatisch besser, schwungvoller.

Wie das geht, habe ich, nicht nur für die Harmonikaspieler, auf einer eigenen Seite beschrieben.

Spielen nach Gehör

Das vorher aufgelistete stimmt auch hier voll. Aber wirkliches Spiel nach Gehör, also notenfrei, geht noch einen Schritt weiter.

Auswendig spielen bedeutet, etwas nach Noten mühsam einzuüben und dann irgendwann die Noten weg zu lassen. Oder etwa von Online-Videos abgeschaute Griffe so lange zu spielen, bis es auswendig geht.

Ein Stück auswendig lernen bedeutet pauken, sinnbefreites Auswendiglernen.

Im Gegensatz dazu bedeutet Spiel nach Gehör Verständnis für die Musik lernen, den Inhalt verstehen.

Es bedeutet, vom Anfang an keine Noten zu verwenden oder keine Griffe abzukupfern, sondern das zu spielen, was man bereits im Kopf hat. 

Jeder Mensch bei uns, auch jedes Kind kann etwa das schöne Lied Hänschen klein (oder ein anderes Kinderlied) singen. Ich meine, dann sollte man es auch notenfrei spielen können.

Nach Gehör lernen ist eigentlich die ursprüngliche Art, etwas zu lernen. Kein Kind lernt sprechen, indem es mühsam Buchstaben lernt, dann genauso mühsam lesen lernt, und das Gelesene dann mühsam auswendig lernt. Jedes Kind bis heute, auch ich, auch Sie, hat zuerst lallen geübt, spielerisch, dann sprechen, vor allem nach Gehör, wieder spielerisch, und dann, viel später erst, leider viel zu oft mühsam, lesen und schreiben.

Singen nach Gehör

Das ist ja eigentlich allgemein bekannt. In letzter Zeit geben sogar manche guten Singleiter ihre Lieder nach diesem Prinzip weiter. Sie singen ein Lied vor und der Chor singt es nach. Zuerst die Hauptstimme, bis alle, wirklich alle, diese wichtigste Stimme können. Dann die Oberstimme, für fast alle. Dann erst zweistimmig, wieder für alle. Dann kommen je nach Vorliebe Bass und/oder Tenor dazu. Bestenfalls bekommt man den Text schriftlich, damit man sich nicht sofort alle sieben Strophen merken muss.

Diese Singleiter meinen richtigerweise, man würde sich in dieser Art ein Lied besser merken. Sie sind sich dann aber doch nicht so ganz sicher, schicken daher drei Wochen später die Noten zu – und der Effekt ist schon wieder weg. Vielleicht ist man nun unsicher, kontrolliert daher sein Gedächtnis, aber dann singt man schon wieder, brav wie ein Volksschüler, nach diesen Noten und lernt bestenfalls brav das auswendig, was man ja eigentlich schon kann.

Lernen nach Gehör

Will man ein neues Stück nach Gehör einlernen, hilft sehr, zu begreifen, wie so ein Stück aufgebaut ist. Bei Volksmusik ist das ja oft gar nicht so schwer. Die 1. Stufe wechselt in einfacher Folge mit der 5. Stufe ab. Das Anfangsthema wiederholt sich und endet dann vielleicht mit einem anderen, einfacheren Schluss; das aus der Musik zu hören, kann man auch üben. Auf Notenfrei für Harmonika habe ich das beschrieben. Und wenn dann wirklich die große Ausnahme kommt, etwa eine vierte oder sogar zweite Stufe, merkt man das mit geringer Übung auch bald. Man muss sich daher nicht jede einzelne Note merken, was man ja beim üblichen Auswendiglernen macht. Hört man die Melodie nicht so ganz genau, macht das meist auch nichts, wenn nur Harmonie und Rhythmus stimmen.

Ich finde es jedenfalls schade, dass diese traditionelle Lehrmethode der Harmonikaspieler durch die Griffschrift ziemlich in Vergessenheit geraten ist.

Freies Zusammenspiel aus dem Stegreif

Bei einem Seminar ersuchte der Vortragende, Rudi Pietsch, den Erstgeiger, ein unbekanntes Stück zu spielen, Rudi spielte dazu die zweite Stimme, ad hoc, ohne das Stück überhaupt je gehört zu haben. Wir alle bewunderten ihn damals dafür, es klang richtig gut zusammen, wie jahrelang geprobt. Dadurch angeregt, versuche ich das auch, immer wieder, etwa bei meinem Musikantenstammtisch. Ich selbst merke zwar manchmal, eine andere Stimmführung wäre besser gewesen, aber das ist eigentlich egal. Den Zuhörern gefällt es, und das ist ja eigentlich die Hauptsache.

Dieses freie, notenfreie Zusammenspiel ist vor allem wichtig, wenn man eine Gegenmelodie oder eine dritte Stimme einfügen möchte. Gelernt habe ich das, als ich beim Volksmusiktrio Hackbrett spielte. Der Harmonikaspieler brachte immer wieder wunderbare neue Melodien, natürlich aus seinem Gehör, da er keine Noten lesen konnte, und ich sollte ihn begleiten. Das funktionierte immer schon nach dem ersten Anhören einer Melodie, meist schon mitten in dieser Melodie.

Einfache Hilfe dazu: Die Melodie vorerst unauffällig begleiten, aber gut zuhören - und bei der Wiederholung dieser Melodie oder schon bei der Wiederholung des Themas eine Überstimme zu spielen, ein Echo und dergleichen.

Wie habe ich das gelernt

Ich lernte als Kind brav Klavier, dann kurz Akkordeon, natürlich so, wie damals wie heute üblich, nach Noten. Dann stieg ich auf die Steirische um, die Noten halfen mir anfangs gar nicht, und die Griffschrift war noch nicht erfunden. Ich habe mir halt die Noten vorgestellt, im Geist gesungen, und dann die richtigen Knöpfe auf meiner Steirischen gesucht. Oder ich habe zu Hause notenfrei die Melodien nachgespielt, vorerst auf dem Klavier, nach denen ich soeben getanzt hatte.

Ich sang damals auch Bass in einigen Volksmusikchören, nach Noten, wie ja damals so wie heute üblich. Bass ist im Volksmusiksatz meist einfach aufgebaut, das ewige Singen von gleichen Tönen befriedigte mich bald nicht, es war mir zu anspruchslos, zu wenig. Ich überlegte mir daher während des Singens Harmonie und Melodie, warum das so gesetzt war – kam dadurch auf meine erste Harmonieschulung – und begriff dadurch auch, warum die Knöpfe der Steirischen so angeordnet sind, wie sie heute noch sind. 

Weiterführende Links

Hier fasse ich einzelne der vielen, viel zu vielen von mir verfassten Seiten zusammen, die für dieses Thema hilfreich sind:

Spiel auf der Steirische Harmonika nach Gehör, notenfrei

Harmonielehre

Üben

Tipps und Tricks

Harmonikaspiel nach Noten

Singen zur Harmonika

Moll auf der Harmonika

Reihenfolge der Melodien

Was ist "gute" Volksmusik

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