Einführung

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Wie spielt man alpenländische Volksmusik?

Volksmusik wurde und wird nach ungeschriebenen Regeln überliefert und gespielt. Ich werde versuchen, Ihnen einige dieser einfachen Faustregeln hier nahezubringen.

Die wichtigste Regel ist wohl: Fehler sind erst dann Fehler, wenn sie der Zuhörer als Fehler bemerkt. Dazu ein Merksatz, den unser Cello-Spieler und Dudelsackbauer Stefan Widhalm geprägt hat: "Man kann jederzeit jeden beliebigen Ton spielen, man muss dann nur wissen, wie man ihn auch auflöst."

Ich meine dazu: Wir alle sind nicht fehlerfrei. Natürlich soll man so richtig, so gut wie möglich spielen. Wenn dann doch ein Ton kommt, der so nicht geplant war, dann spielt man einfach weiter, schaut selbstbewusst drein und tut so, als ob nichts gewesen wäre. Kaum jemand wird es überhaupt bemerken.  Das Schlechteste bei einem Fehler wäre, die Passage zu wiederholen. Dann kommt nämlich zum möglicherweise unbemerkten Melodie- oder Harmoniefehler ein Rhythmusfehler, den sicher jeder Zuhörer bemerkt. Und jeder Tänzer kommt dann aus dem Takt.

Weitere wichtige Regel: Spielen Sie selbstbewusst, mit innerer Kraft. Allfällige Unsicherheiten darf der Zuhörer nicht merken. Näheres dazu in meinen Tipps und Tricks.

Was ist alpenländische Volksmusik überhaupt?

Entwickelt hat sich die bei uns übliche alpenländische Volksmusik durch die im einfachen Volk immer üblich gewesene schriftlose Überlieferung. Und zwar "Überlieferung von musikalischen Kenntnissen, Fertigkeiten, Praktiken und 'Kompositionen' über Generationen, Jahrzehnte und vielleicht Jahrhunderte" (Prof. Gerlinde Haid). Das bedingt mehrere Eigenschaften, unter anderem:

Die Variantenbildung wird begünstigt. 

Es gibt von jedem Stück zahllose Spielarten, die etwa durch ungenaues Zuhören oder durch ungenaue Erinnerung hervorgerufen wurden und werden.

Als Beispiel für Variantenbildung habe ich die Gretlpolka des Edlertrios in der Originalversion und in einer derzeit aktuellen Version des G'mischten Satz aus Klosterneuburg aufgeschrieben.

Die kurze Gestalt wird begünstigt.

Längere Formen merkt man sich schwerer.

Wiederholungen gehören dazu. 

Damit die kurze Form nicht gar zu kurz wird.

Einfache Harmonien kann man sich ebenfalls leichter merken.

Durtonarten werden fast überwiegend verwendet.

Alpenländische Volksmusik ist üblicherweise zweistimmig angelegt, oft Hauptstimme und Überstimme, eine Terz höher.

Das mehrstimmige freie Zusammenspiel mehrerer Instrumente (das freie Begleiten, das mehrstimmige freie Singen) wird erleichtert, indem einfache Harmonieschemen verwendet wurden und werden.

Das Harmonieschema besteht häufig nur aus Dominante und Tonika mit seltenen Ausflügen in Subdominante und Doppeldominante.

Das beliebte Musizieren aus’n Huat, also das freie Zusammenspiel ohne Noten wird durch derartige allgemein anerkannte Grundsätze überhaupt erst ermöglicht.

Dass jede einzelne Melodie durch Jahrzehnte oder Jahrhunderte überliefert wird, ist nicht Voraussetzung für die Einstufung als Volksmusik. Im Gegenteil, viele Weisen sind erst in den letzten Jahren entstanden und entstehen immer wieder neu. Und andere Stückln waren ursprünglich  'Schlagermusik' aus den Jahren um 1900. Auch sie alle gehören zur Volksmusik, wenn deren Regeln befolgt werden.

Instrumentale Volksmusik war immer überwiegend Tanzmusik. Heute wird oft Stubenmusik gebracht ohne jede tänzerische Absicht. Aber auch da sollte der Charakter der Tanzmusik immer spürbar bleiben.

Es gibt also überlieferte Faustregeln für die Gestalt der alpenländischen Volksmusik. Aber Vorsicht: Da diese nie festgelegt wurden, gibt es keine Regel ohne Ausnahme. Es gibt nicht nur das einfache Strickmuster "zwei glatt, zwei verkehrt", das man der Volksmusik so oft nachsagt. Trotzdem meine ich, der Anfänger sollte erst die Regeln beachten, nach denen schriftlose Überlieferung funktioniert. Erst die Kenntnis von Normen ermöglicht, eine Ausnahme auch als solche zu erkennen.

In den letzten Jahren haben in ganz Österreich und Bayern akademisch ausgebildete Musiker die Volksmusik entdeckt, Volksmusikanten haben die Akademien besucht, um besser spielen zu lernen. Das Ergebnis ist wirklich hörenswert. Ich sitze manchmal stundenlang und lausche staunend dieser wunderbaren Musik. Ob das Ergebnis noch Volksmusik ist, darüber gibt es bereits Diskussionen. Ich persönlich meine schon, auch perfekt dargebotene Musik ist Volksmusik. Allerdings meine ich dazu auch, Volksmusik ist Musik des Volkes, sollte im Volk gespielt oder gesungen werden, Volksmusik ist zu schade, um sie nur den akademischen Musikern zu überlassen.

Dazu: Durch akademische Ausbildung gehen möglicherweise die etwa von Volker Derschmidt geliebten "Dialekte der Volksmusik" verloren. Alle Musikanten bekommen die gleiche gute Ausbildung, verlassen sich auf die gleichen guten Quellen und ahmen daher nach, was derzeit überregional für gut befunden und daher gelehrt wird. Sie musizieren dann womöglich im ganzen Alpenland zwar gleich gut, sogar hervorragend, aber eben auch gleichförmig, vereinheitlicht. Es entsteht bestenfalls eine Variantenbildung in Richtung bessere Fingerfertigkeit, aber es gibt vielleicht bald keine Stil-Varianten mehr.

Auf der Seite Alpenländisch habe ich versucht, mit dem Herzen zu erklären, was Volksmusik für mich ist. Hier können Sie es lesen.

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