Fahren Sie manchmal in der Früh mit
der U-Bahn? Dann haben Sie die Frau sicher schon gesehen: zweite Assistentin der
Chefsekretärin, eigentlich recht hübsch, aber um 6.30 Uhr früh fällt einem
halt der etwas eigenartige Gesichtsausdruck auf. Vielleicht hat sie soeben
gemerkt, dass ihr Handy nicht aufgeladen wurde, aber diesen grantigen Ausdruck
strahlt nicht nur sie aus, sondern fast alle anderen Mitreisenden wirken genau
so grantig - in der
U-Bahn nicht nur um 6.30 früh.
Beziehung zu den Zuhörern, Tänzern aufbauen
Ich habe auf den unten angeführten
Nebenseiten oder auf den Seiten zum Stil oder zum Schwung
einiges angeführt, das sicher richtig ist. Sonst hätte ich es ja nicht
hingeschrieben. Aber noch etwas ist darüber hinaus wichtig. Ihre persönliche
Ausstrahlung, Ihre Zusammenarbeit mit dem Publikum, aber auch mit den
Mitmusikanten.
Spielt man vor Publikum (oder zum
Tanz), sehe ich immer wieder einige Möglichkeiten:
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Manche Musikanten starren gebannt
in ihre Noten, ohne den Blick auch nur einmal abzuwenden. |
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Andere schauen genau so in ihre
imaginären Noten, auch wenn gar keine Noten da sind. |
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Manche konzentrieren sich auf
ihre Musik, schauen dabei konzentriert irgendwo hin, häufig auf den
Fußboden. |
| Oder sie schauen auf das
Griffbrett, beobachten die Finger, ob sie wohl die richtige Stelle
niederdrücken. |
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Diesen konzentrierten Blick
könnte man auch als böses Schauen interpretieren. |
| Oder als grantige Imitation der oben
beschriebenen Frau in der U-Bahn. |
Natürlich ist Konzentration wichtig,
auf die Musik, auf die Noten, auf das möglichst fehlerfreie Spiel. Und wenn ich
Fehler vermeiden will, muss ich mich natürlich auf mein Spiel konzentrieren,
manchmal auch auf das Griffbrett schauen.
Wenn Sie aber ausschließlich Fehlervermeidungsmusik
produzieren, geht etwas daneben. Sie sollten nicht Fehlervermeidungsmusik
spielen, sondern schwungvolle Musik.
Denn ausschließliche Konzentration ist eher kontraproduktiv, es geht
doch auch anders.
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Ich könnte ab und zu von den
Noten aufschauen, |
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Könnte dabei die Zuhörer
(Tänzer) freundlich anlächeln. |
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Könnte immer wieder Blickkontakt
suchen, eine Beziehung zu den Zuhörern oder Tänzern aufbauen. |
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Freundlicher Blickkontakt mit den
Mitspielern bringt eine Beziehung zu den Mitmusikanten. |
| Ich könnte dabei den Mitmusikanten
zeigen, dass ich gerne mit ihnen spiele. |
| Nicht nur mit Blicken, ich
könnte dies auch mit Bewegungen zeigen. |
| Ich sollte vor allem den
Zuhörern zeigen,
dass mir das Musizieren Freude macht. |
Freut Sie das Musizieren eigentlich?
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Wenn nein - warum musizieren Sie
dann? |
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Wenn ja - warum zeigen Sie das
nicht? |
Ich behaupte: merkt das
Publikum, dass ich gerne spiele, dass ich Freude am Musizieren habe und dies
auch zeige oder mit meinen Mitmusikanten teile, hat das einige
Vorteile:
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Die Mitspieler werden ebenfalls
begeistert und angefeuert. |
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Das Publikum freut sich mit uns. |
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Es verzeiht daher kleine
Ungenauigkeiten gern. |
| Wir alle wirken nicht nur
besser, wir strahlen mehr Sicherheit aus,
sondern wir spielen auch tatsächlich schwungvoller, mitreißender, wir musizieren vor allem miteinander und nicht
gegeneinander. |
Und vor allem:
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Die Musik, meine und Ihre Musik
ist nicht mehr nur Fehlervermeidungsmusik, sie wirkt gleich wesentlich
schwungvoller. |
Aber Vorsicht: Ich meine damit nicht
das stereotype Dauerlächeln und Dauerschunkeln vieler professionellen, meist auch gut bezahlten
Musikgruppen. Ich meine nur, wenn Sie die Musik freut, wirklich freut, dann
zeigen Sie das doch. Es lohnt sich.
Und wenn Sie die Musik wirklich nicht
freut, so suchen Sie sich doch ein anderes Hobby, von mir aus
Briefmarkensammeln.
Und wie packe ich die Zuhörer von
Anfang an?
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Ich (oder wir als Gruppe) proben
nicht lautstark vor dem Beginn, suchen nicht unsere Töne auf dem Instrument
erst zusammen. Wir beginnen gleichzeitig, und zwar
kraftvoll, mit Schwung. |
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Mit den ersten, kraftvollen
Akkorden müssen wir ein allfälliges Tratschen der Zuhörer oder Tänzer
übertönen. Dazu eignet sich manchmal auch eine Einleitung, auch wenn sie
nicht für Volkstänzer wichtig ist. Etwa die Ländler-Einleitung, die etwa bei
vielen bayrischen Ländlern oder bei manchen Märschen einfach dazu gehört. |
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Aber dann kann man die Lautstärke wieder etwas
zurücknehmen. Die Zuhörer sind ja jetzt
aufmerksam, und wenn sie die Melodie hören wollen, müssen sie bei leiseren
Stellen horchen und können daher nicht mehr tratschen. Es ist bekannt,
je lauter die Musik spielt, desto lauter
tratschen die Zuhörer. Und im
Gegenzug - je leiser die Musik spielt, desto
weniger wird getratscht - wenn
es uns gelingt, die Zuhörer zu packen. |
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