Historisches zur Harmonika-Griffschrift
Entwicklung der Griffschrift seit
1916
Die Harmonika-Griffschrift ist eine Tabulatur. Sie
sieht nur aus wie Notenschrift, sie zeigt aber nicht die absolute Tonhöhe der einzelnen Töne, sondern
die zu greifenden Tasten (Knöpfe) an.
Näheres zur Griffschrift und ihrer
Entwicklung lesen Sie in der Sänger-
und Musikantenzeitung 2010 im ausgezeichneten Artikel von Roland
Pongratz.
Der Verlag Helbling ließ im Jahr 1916 eine Tabulatur für das zweireihige
diatonische Akkordeon patentieren. Diese verbreitete sich ziemlich schnell, da
sie für jede Stimmung passte. In Notenschrift müsste man eigentlich für jede
Stimmung der Harmonika eine eigene Schule herausgeben; lernt ein
Harmonikaspieler nach einer Schule in C-F, kann er nach Noten in D-Dur nicht
mehr spielen.
Anfangs, bis zum 2. Weltkrieg, gab es verschiedene Griffsysteme, vor allem in
der Schweiz und in Deutschland, was die Weitergabe von Literatur sehr
erschwerte.
Für das Club-Modell
(Diatonische Handharmonika) gibt es im
Musikverlag
Holzschuh in Manching als Lehrbehelf die
Neue Holzschuh-Schule (gründlicher und
leicht fasslicher Lehrgang für Handharmonika von Alfons Holzschuh). Dazu
vertreibt der Verlag auch weiterführende Literatur in Clubmodell-Griffschrift.
In den letzten Jahren hat sich für
die Steirische Harmonika die Griffschrift ziemlich durchgesetzt.
Max Rosenzopf,
ein Musiklehrer aus Bärnbach in der Steiermark, adaptierte das ältere Helbling
System für die drei- und vierreihige Harmonika, nannte diese Tabulatur Griffschrift
und gab 1975 im Verlag Preissler ein erstes Schulwerk nach diesem System heraus,
das bis 1996 18 Auflagen erreichte. Es ist jetzt noch immer bei diversen Quellen
erhältlich. Alle anderen seither erschienenen
Griffschriftsysteme bauen darauf auf. Näheres zu Max
Rosenzopf können Sie auf Dancilla
lesen. Auch die Zeitschrift "Zwiefach"
hat einen netten Artikel über ihn veröffentlicht.
Ab der 3. Auflage 1977 erweiterte
Rosenzopf seine Schule als bisher einziger um „Klangtabellen“ und
„Notationsvergleiche Griffschrift/Klangschrift“, um auch in
„Klangschrift“ (normalen Noten) notierte Stücke einstudieren zu können. Ab
der 7. Auflage 1982 legte er die Übertragung aller Stücke „in den Violinschlüssel“
bei, gesetzt für eine in C-F-B gestimmte Harmonika.
Es gibt heute verschiedenste Systeme der
Griffschrift, man hat den Eindruck, fast jede Schule strickt sich ihr
eigenes System, besonders bei den Bassbezeichnungen. Bei den Melodietasten gibt es aber kaum Unterschiede. Manche
Schreiber verwenden kryptische Zeichen als Ersatz für den 'fehlenden'
Violinschlüssel, manche lassen die Notensymbole nach dem Doppelkreuz weg oder
verwenden eigene, kreuzähnliche Notensymbole, Manche verwenden das
Doppelkreuz nur für die dritte Reihe, für die innerste Reihe haben sie andere
Symbole, etwa ein Dreieck oder ein Rhombus als Notenkopf, manche schreiben die Notenköpfe
für die innere Reihe nach links, die Köpfe für die äußere Reihe nach
rechts. Dergleichen Eigenheiten gibt es, sie sind mehr oder weniger sinnvoll,
das Grundsystem der Griffschrift ist für alle gleich.
In der Tradition Rosenzopf schreibe
ich die bei mir veröffentlichten Stücke, gesetzt möglichst für 3-reihige,
manchmal für 4-reihige Harmonika, und zusätzlich in Klangschrift in den
Tonarten A-D-G-C. Alle für die dreireihige Harmonika gesetzten Stücke sind
auch auf der Vierreiher spielbar, sogar wahlweise in den äußeren oder in den
inneren Reihen.
Historische Beispiele
Ein Klick auf das Notenblatt zeigt das
Blatt in Originalgröße
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Verlag Helbling aus dem Jahr 1920
für 2-reihige Harmonika, 10 + 11 Tasten, ohne Gleichton
Diese Tabulatur ist noch auf einem 10-Linien-System erstellt.
Zug und Druck werden durch die Richtung der Notenhälse bestimmt
Notenhals nach oben ist Druck und Notenhals nach unten ist Zug. |
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Verlag Helbling aus dem Jahr 1935
für 2-reihige Harmonika, 10 + 11 Tasten, ohne Gleichton
Wie oben.
Zusätzlicher Zug in Melodiepausen wird durch ein + (plus) unter der Bassangabe
angegeben. |
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Verlag für Handharmonika O. Seifert, Leipzig, aus dem Jahr 1939
für zwei-reihige Harmonika, ohne Gleichton
5-Linien-System, Diskant sieht aus wie heutige Griffschrift.
Zug wird durch ein nach unten offenes, verkehrtes V oberhalb der Noten
angekündigt, Druck durch ein nach oben offenes U.
Der Bass wird durch die Ziffern der Basstasten angegeben, darunter ist ein
durchgehender dünner Unterstrich. |
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Škoda lásky („Schade um die Liebe“)
Verlag Helbling, Zürich-Leipzig, aus dem Jahr 1938
für zwei-einhalb-reihiges Clubsystem, ohne Gleichton
Diskant sieht aus wie heutige Griffschrift, Noten mit vorangesetztem Kreuz
bedeuten Halbtöne auf der halben inneren Reihe.
Zug wird durch ein nach oben offenes V oberhalb der Noten angekündigt,
Druck durch ein nach unten offenes U.
Zusätzlicher Druck oder Zug wird durch ein + (plus) unter der Bassangabe
angegeben.
Der Bass wird durch Buchstaben angegeben, großes A für den Grundbass,
kleines a für den Akkord, bzw. eigenartigerweise a7 für manche Akkorde im Aufzug. |
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Verlag Doblinger, Wien I, und Helbling, Zürich, aus dem Jahr 1944
für zwei-einhalb-reihiges Clubsystem, ohne Gleichton
Diskant sieht aus wie heutige Griffschrift, Noten mit vorangesetztem Kreuz
bedeuten Halbtöne auf der halben inneren Reihe.
Der Bass wird durch Buchstaben angegeben, großes A für den Grundbass,
kleines a für den Akkord.
Unter den Bassbuchstaben ist ein durchgehender dünner Unterstrich, der
als Zeichen für Zudruck verstärkt ist, Aufzug bleibt dünn.
Hier ist also erstmals ein dicker Unterstrich Angabe der Zugrichtung.
Nach den mir vorliegenden Unterlagen scheint sich dieses System nach
1945 allgemein durchgesetzt zu haben. |
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Max
Rosenzopf, 1975
für dreireihige Steirische Harmonika mit Gleichton
Rosenzopf hat aus den oben angegebenen Griffschrift-Systemen vor 1975
dieses System für die Steirische Harmonika entwickelt, auf dem sämtliche
derzeit üblichen Griffschriften mit geringfügigen Änderungen aufbauen.
Kennzeichen: Diskantnote zwischen den Zeilen ist äußere Reihe,
Diskantnote auf den Zeilen ist mittlere Reihe, Diskantnote zwischen den
Zeilen mit vorgesetztem Kreuz ist innere Reihe. Basstasten werden durch
Buchstaben Aa, Bb, Cc, Dd, Gg angegeben, Großbuchstabe = Grundbass,
Kleinbuchstabe = zugehöriger Akkord. Zudruck wird durch einen dicken Unterstrich
angegeben, beim Aufzug fehlt der Unterstrich.
Rosenzopf selbst schrieb ausschließlich für die Dreireiher, hat aber
die Möglichkeit für die Vierreiher in seinem Schulwerk bereits
angegeben:
Diskantnote auf den Zeilen mit vorgesetzem Kreuz ist innerste (vierte)
Reihe, Bassbuchstaben A + a, B + b, C + c, D + d, E + e, F + f, G + g sind ziemlich unlogisch
verteilt, aber trotzdem gut brauchbar.
In den Jahrzehnten seither hat sich die Griffschrift durchgesetzt, sie wurde aber vielfach weiterentwickelt. Es gibt unterschiedlichste Formen,
unterschiedliche Bassnamen, unterschiedliche Notenköpfe, man hat oft den Eindruck, jeder Schulbetreiber formt sich seine eigene Griffschrift, um eigene Noten besser verkaufen zu können. Dabei sind das alles Weiterentwicklungen des Systems Rosenzopf.
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Aber auch ich (Franz Fuchs) habe die Griffschrift logisch
weiterentwickelt.
Für den Bass verwende ich seit einigen Jahren eine für die Vierreiher doch logischere und auch für größere Instrumente (Fünfreiher) und Neukonstruktionen ausbaufähige Bassbenennung:
Grundbässe in der ersten Bassreihe: W - a - A - b - B - c - C - d - D
Grundbässe in der zweiten Bassreihe mit Zusatz 2, also A2
+ a2, B2 + b2 usw.
Eine dritte Reihe im Bass, die es ja schon gibt, ist ebenfalls möglich, mit Zusatz
3, also A3 usw.
Das W steht für den heute oft schon eingebauten Wechselbass der A-Reihe, oft auch X-Bass
genannt. In meinen Griffschrift-Veröffentlichungen verwende ich das aber kaum, da es
manche Spieler vielleicht verwirren würde.
Im Diskant verwende ich eine alternative, zu Rosenkopf etwas verkürzte
Schreibweise; schwarze Notenköpfe (Viertel, Achtel, ...) ersetze ich in
der 3. (und 4.) Reihe durch
ein Doppelkreuz, da dies besser sichtbar ist. Bei weißen Notenköpfen verwende ich, seit mir mein Notenschreibprogramm
2022/09 die Möglichkeit dazu gibt, ein Hohlkreuz. Und seit Anfang 2024
kann ich auch die Notenköpfe je nach Reihe nach links oder nach rechts
schauen lassen.
Als Beispiel gebe ich hier die Griffschrift zum Warschauer an. |
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